
Bericht zur Überwachungsaktion in der Fleischindustrie
27.01.2020
Bei 85 Prozent der überprüften Betriebe wurde eine hohe Anzahl teils gravierender Arbeitsschutzmängel festgestellt. Von den knapp 9.000 Verstößen waren mehr als 5.800 Arbeitszeitverstöße. So arbeiteten Beschäftigte über 16 Stunden am Tag, oftmals ohne vorgeschriebene Ruhezeiten und Pausen. In 2.400 Fällen wurde keine arbeitsmedizinische Vorsorge durchgeführt, um beispielsweise dauerhafte Schädigungen der Haut oder lärmbedingte irreversiblen Hörschäden zu verhindern. Zudem gab es Hinweise darauf, dass der Mindestlohn nicht eingehalten wird, beispielweise indem den Beschäftigten der Lohn für persönliche Schutzausrüstung gekürzt oder die Miete für die oftmals problematischen Unterkünfte verrechnet wird.
Besonders betroffen sind dabei Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Polen. Arbeitsminister Karl-Josef Laumann: "Diese Situation ist für mich als Arbeitsminister nicht akzeptabel. Sie verletzt die Würde von Menschen. Ich werde ich mich für eine Stärkung der Arbeitsnehmerrechte von Beschäftigten bei Werkvertragsfirmen, einsetzen."
Konsequenzen für Behörden und Politik
Bisher haben weder die Selbstverpflichtungen der Unternehmen noch das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) die Situation hinreichend verbessern können. Das Arbeitsministerium und das Wirtschaftsministerium des Land Nordrhein-Westfalen werden gemeinsam in den Dialog mit den Unternehmen der Fleischwirtschaft gehen, um die Lebenssituation der Beschäftigten zu verbessern. Gleichzeitig sollen die Kontrollen intensiviert werden. So soll der Druck auf unseriöse Werkvertragsnehmer und letztlich auf die gesamte Fleischbranche schrittweise erhöht werden. Jeder Schlachthof müsse damit rechnen, dass mindestens einmal im Jahr die Arbeitsschutzverwaltung vor der Tür steht.
Zudem müsse die Nachunternehmerhaftung auch auf die Einhaltung von Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetzen ausgedehnt werden, wenn die Auftraggeber von Werkvertragsunternehmen weiterhin nicht dafür sorgen, dass arbeitsschutz- und arbeitsrechtskonforme Zustände in ihren eigenen Betriebsgebäuden eingehalten werden. Und: Bußgelder müssen so gestaltet sein, dass sie abschrecken.
Informationen und Beratung
Bereits jetzt können sich Beschäftigte der Fleischindustrie bei Arbeitsschutzmängel und Rechtsverstößen vertraulich und anonym an die Arbeitsschutzverwaltung Nordrhein-Westfalen wenden. Zudem erhalten sie dort Informationen in verschiedenen Sprachen zu ihren Rechten und weitergehenden Unterstützungsangeboten.
Darüber hinaus wird in Zusammenarbeit mit den bestehenden Beratungsprojekten "Faire Mobilität" und "Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten" schrittweise ein landesweites Beratungsnetzwerk gegen Arbeitsausbeutung in Nordrhein-Westfalen aufgebaut.
Minister Laumann: "Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in einem vereinten Europa ist ein wichtiges Gut, das die persönliche Freiheit der Menschen und die wirtschaftliche Entwicklung der ganzen EU fördern kann. Ihre Akzeptanz wird aber gefährdet, wenn sie mit Arbeitsausbeutung und inakzeptablen Lebenssituationen der Menschen verbunden ist und neue soziale Brennpunkte schafft."
Den Abschlussbericht zur Überwachungsaktion „Faire Arbeit in der Fleischindustrie“ finden Sie hier.