
Wertkreis Gütersloh - Inklusion durch Digitalisierung
Die Digitalisierung der Arbeit birgt Vor- und Nachteile für Menschen mit Behinderungen. Um mit der fortschreitenden Technik Schritt zu halten, setzen Unternehmen wie der wertkreis Gütersloh gGmbH für die Beschäftigten auf spezielle digitale Assistenzsysteme. Auf die stießen die Gütersloher 2017 zufällig bei einem Firmenbesuch im Schloss Holte. Daraufhin suchte der wertkreis den Kontakt zu den Entwicklern am Fraunhofer-Institut (IOSB-INA).
Dampfwalzen und Flaschenöffner gedeihen bei Rotlicht nicht richtig. Sie benötigen grünes Licht. Dennoch sind beide Farben gleich bedeutsam, unterstützen sie doch Menschen mit Behinderungen bei ihrer Montagetätigkeit in den Werkstätten des wertkreis Gütersloh. Leuchtet es am Montagetisch dezent rot auf, wissen die Beschäftigten, dass einzelne Bauteile einer metallenen Miniaturwalze oder eines handelsüblichen Flaschenöffners nicht in der richtigen Reihenfolge oder Weise zusammengesetzt wurden. Rot signalisiert also Fehler, bei Grün ist der Handgriff korrekt erfolgt. Gesteuert wird dies über ein intelligentes System aus Kameras und Sensoren, die den Arbeitsprozess erfassen und begleiten.
Die Digitalisierung hat an den Arbeitsplätzen beim wertkreis Einzug gehalten – mit einem sogenannten Forschungsdemonstrator. An den kleinen Öffnern und Walzen lassen sich die Einsatzmöglichkeiten von Assistenzsystemen gut darstellen. Zugleich macht dies die Übertragbarkeit auf reale Anwendungen wie etwa die Montage von Baugruppen aus dem Auftragsportfolio des wertkreises sichtbar. „Vieles davon kann in Zukunft automatisiert ablaufen, was nicht ohne Auswirkungen auf unsere Auftragslage bleiben wird“, sagt Ulrich Rötgers. Dennoch sieht dieser die Digitalisierung als Chance und nicht als Gefahr. Mit den 2018 angeschafften Forschungsdemonstratoren „wollen wir Anschluss halten“, sagt er. Das Assistenzsystem ähnelt im Aufbau den üblichen Montage- und Verpackungsarbeitsplätzen mit Arbeitsplatte und Greifbehältern. Der Unterschied besteht in zwei Beamern, Tiefenkameras, einem Computer und einem Touchscreen-Monitor. Gesteuert wird das System über die Softwareplattform „XTEND“, eine Entwicklung der Lemgoer Fraunhofer-Forscher.
Im wertkreis geht es jedoch nicht allein darum, die Beschäftigung innerhalb der eigenen Werkstätten am aktuellen Standard auszurichten. Je nach Fähigkeiten, Eignung und Wunsch der einzelnen Mitarbeitenden ist auch ihre Integration in den ersten Arbeitsmarkt ein grundsätzliches Ziel. „Mit Hilfe der Assistenzsysteme hoffen wir, die Menschen auf real existierende Tätigkeiten in Firmen vorbereiten zu können“, sagt Rudolf Stüker, Projektentwickler im Bereich Berufliche Bildung beim wertkreis. Wenn Firmen für einen Montageauftrag komplette Materialsätze anlieferten, sei es ein Leichtes, mit den Mitteln der Assistenzsysteme auch die spätere Arbeitsumgebung zu simulieren. Und das reduziert Einarbeitungszeiten.
Menschen mit Behinderungen Assistenzsysteme an die Seite zu stellen heißt nicht, dass damit bereits die einzige Zielgruppe für diese Innovationen identifiziert wäre. „Manche Prämissen sind sehr ähnlich“, sagt Rudolf Stüker mit Blick etwa auf die Gruppe Geflüchteter, die für den Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle spielen können. „Ein Video unterstützt alle, egal ob jemand kognitive Einschränkungen hat oder die deutsche Sprache nicht kennt.“ Erklärfilme, also Tutorials, bieten sich besonders im Bereich der Montage oder Maschinenwartung an, beim Umrüsten oder dem Bedienen von Maschinen. Das ist ein Vorteil auch für ungelernte Kräfte, die so den Informationsvorsprung anderer Kollegen zumindest teilweise kompensieren können.
Mit dem Einsatz digitaler Assistenzsysteme erhofft sich der wertkreis, vermehrt Menschen mit Behinderungen beruflich zu integrieren. „Im Moment herrscht Facharbeitermangel, auch für Anlern- und Montagetätigkeiten werden viele Menschen gesucht“, sagt Rudolf Stüker, das gelte nicht nur für den Großraum Gütersloh. Da könne für Unternehmen die Investition in Assistenzsysteme eine Überlegung wert sein, „sofern der Kosten-Nutzen-Effekt stimmt.“ Der wertkreis wünsche sich daher einen Anschub, „dass Menschen mit Behinderungen wieder deutlich in den Fokus der Arbeitgeber geraten!“
Kontakt:
wertkreis Gütersloh gGmbH
Ulrich Rötgers, Leiter Bereich Berufliche Bildung
Auf´m Kampe 10
33334 Gütersloh
Tel.: 05241 2115300
ulrich.roetgers@gt-net.de